Mit der Faust in die Welt schlagen
Regie: Aslı Özarslan | Darsteller: Anja Schneider, Christian Näthe, Anton Franke | Deutschland 2024 | Drama
Anfang 2000er. Philipp und Tobi wachsen in der sächsischen Provinz auf. Ihre Kindheit ist geprägt vom Zerfall der eigenen Familie und der Perspektivlosigkeit einer ganzen Region. Als Jahre später ein Flüchtlingsheim entstehen soll, eskaliert die Situation. Während sich der eine Bruder zurückzieht, findet der andere ein Ventil für seine Wut… Sehenswertes Kinodebüt von Constanze Klaue, frei nach dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel.
Die Brüder Philipp (Anton Franke) und Tobias (Camille Moltzen), 12 und 9 Jahre, wachsen irgendwo zwischen Bautzen und Hoyerswerda auf. Die Familie baut ein Haus. Der hagere Uwe, der auf der Baustelle hilft, ist plötzlich tot. Sein Absturz scheint das Schicksal der ganzen Gegend widerzuspiegeln: zuviel Alkohol, keine Arbeit und eine unentrinnbare DDR-Vergangenheit. Mit dem Einzug in das noch unfertige Haus beginnt der Zerfall der Familie. Der Vater wird arbeitslos, die Mutter versucht, die Dinge am Laufen zu halten. Mittendrin Tobi und Philipp, alleingelassen mit sich selbst. Im Gegensatz zur häuslichen Enge scheint die Landschaft grenzenlos: Endlose Wälder, gelbe Rapsfelder und türkisblaues Wasser, in das man springen kann, um der Langeweile einen Moment zu entkommen. Schließlich bleiben noch die älteren Jungs, die Abenteuer versprechen, aber Gewalt und Fremdenhass meinen… 2006 beginnt die Romanverfilmung, die sogenannten Baseballschlägerjahre waren da schon vorbei – oder begann gerade eine neue Phase? Die Diskussion über „den Osten“ jedenfalls hat in den letzten Jahren nicht nachgelassen, inzwischen entstehen auch Filme von Menschen vor Ort, so wie Klaue, deren Blick anders, vielleicht auch differenzierter ist. Lose autobiografisch, vor allem aber fiktiv beschrieb Rietzschel in seinem Post-Wende-Roman das Aufwachsen in der ostdeutschen Provinz, ein Thema, das ihn mit Constanze Klaue verbindet. Die traf für ihren Film die kluge Entscheidung, die Geschichte noch losgelöster von realen Ereignissen zu erzählen und ihr damit mehr Universalität zu verleihen. Das Ergebnis: Ein genau beobachtetes Jugenddrama – einer der gelungensten Filme über Leben und Aufwachsen in der Provinz, die es in den letzten Jahren zu sehen gab.
» Stets präsent ist die Kluft zwischen dem Wunsch nach idyllischem Familienleben und der bitteren Realität, das Miteinander von Verfall und Idylle. « EPD FILM
» Sagen, was ist – in nüchternen Bildern, die von rauer Zärtlichkeit erfüllt sind! « CINEMA